Wir sind am Ende der Passionszeit angekommen. Jesu Leiden und sein Sterben für uns stehen jetzt wieder im Fokus. Bis vor Kurzem hatte ich dazu auch ein passendes hoch aktuelles Beispiel aus der Coronakrise. Der Anbieter meiner privaten Mailadresse hat mich darauf gebracht. Von ihm werde ich stets sehr großzügig und ungefragt mit Neuigkeiten versorgt. Normalerweise ignoriere ich sie. Doch eine Meldung hat mich gleich angesprochen und berührt. Da ging es um einen todkranken italienischen Priester, der beatmet werden musste. Doch er entschied sich, sein Beatmungsgerät an einen jüngeren Kranken zu spenden und starb.
Die Geschichte fand ich beeindruckend, obwohl sie auch etwas zu aalglatt wirkt. Da ist ein Priester so von Gottes Liebe und Güte erfüllt, dass er sein Leben für einen anderen hingibt. Ein bewegendes Beispiel für die Nachfolge Jesu.
Doch leider hat sich heraus gestellt, dass es gar nicht stimmt. Es ist eben nicht nur Passions- und Coronazeit, sondern auch die Zeit der Fake News. Originelle Falschmeldungen, gefährliche Verschwörungstheorien und Halbwahrheiten kursieren im Internet und das nicht nur zum Coronavirus. Welchen Nachrichten kann ich da eigentlich noch glauben? Was kann ich überhaupt noch glauben? Wem kann ich noch vertrauen? Was ist nun mit dem allmächtigen gütigen Gott, der uns bewahrt? Zur Coronakrise gesellt sich unmerklich die Glaubenskrise hinzu. Dabei hört sich glauben und vertrauen so einfach an. Jedenfalls so lange, wie alles gut ist und ich mich sicher fühle. Aber was, wenn dies nicht mehr der Fall ist? Wie kann ich dann wissen, dass Gott es wirklich gut mit mir meint? Wie kann ich sicher sein, dass mein Glaube Sinn ergibt, dass Gott das Leid und die Krise nicht gleichgültig sind?
Ich glaube; hilf meinem Unglauben!
Markus 9,24
Auf einmal verstehe ich die Jahreslosung anders, tiefer. Die Buchstaben wachsen über sich selber hinaus und werden zum Gebetsruf. Das scheinbar Paradoxe darin löst sich auf. Ich entdecke eine tiefgründige Wahrheit. Glaube ist keine feste unantastbare Größe. Glaube meint auf Gottes Hilfe zu vertrauen, auch beim Glauben selbst. Glaube ist mehr als ein auswendig gelerntes Bekenntnis. Glaube ist ein lebendiges Gespräch, eine gelebte Beziehung. Glaube ist die Kontaktsuche zu Gott, selbst in völlig aussichtslos erscheinender Lage. Und: zum Glauben gehört auch der Unglaube. Jesu letzte Worte am Kreuz bezeugen dies: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46) Da werden Jesu Zweifel ganz ungeschönt wieder gegeben. Da wird nichts geglättet. Eine beeindruckende Ehrlichkeit. Das ist glaubwürdig. Darum kann ich zu Gott rufen, wann immer mir danach zumute ist: „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ Gott wird zuhören und irgendwann kommt seine Antwort, so sicher wie der Ostermorgen.