Gott spricht: Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch.
Die Losung für das neue Jahr gibt uns der Prophet Hesekiel mit auf den Weg. Er ist ein Schreiber starker Bilder und eindrucksvoller Visionen, und doch ist vielen Christen sein Buch wenig bekannt. Nur ganz selten ist es zur Predigt oder Lesung vorgeschlagen, in manchen Jahren gar nicht. Die jüdische Tradition fordert übrigens, dass nur ganz reife Menschen sich mit diesem Buch überhaupt befassen, und sie sollen mindestens 30 Jahre alt sein.
Die Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen, die die Jahreslosung jedes Jahr auswählt, traut uns da also einiges an Reife und Verständnis zu. Im 36. Kapitel seines Buches liegt das Augenmerk auf Verheißungen. Es soll wieder gut werden, was in Unruhe und Schieflage geraten ist. Dabei ist Hesekiel keiner, der die Dinge beschwichtigen und schnellen Trost spenden würde. Ängste und Verunsicherungen bestimmen seine Zeit, es ist die Zeit, die schließlich in die Zerstörung des Tempels durch die Babylonier münden wird. Es sind gerade die Krisenzeiten, die die meisten der biblischen Texte und Geschichten hervorbringen. Der Glaube des Gottesvolkes reift heran, indem er sich den Fragen seiner Zeit immer wieder neu stellt.
Hesekiel weiß oder ahnt jedenfalls, dass die Zeit der Bedrängung begrenzt sein wird. Diese Hoffnung durchzieht sein 36. Kapitel. Doch es kann auch keine einfache Rückkehr ins Alte geben. Zu vieles ist gewesen, zu vieles ist vorgefallen. Und so kommt er auf das Herz und auf den Geist zu sprechen. Kaum ein Organ, kaum ein Körperteil ist so stark mit Gefühlen und Assoziationen verbunden wie das Herz. Nicht umsonst ist es ein Symbol für die Liebe. Was vom Herzen kommt, das ist tief und – modern ausgedrückt – ganzheitlich. Ich kann Dinge vom Verstand her begreifen und sie kommen manchmal doch nicht im Herzen an. Und Geist, das ist der Lebensatem. Stoffwechsel würden wir heute sagen. Er unterscheidet lebendige Wesen von toter Materie. Dass Lebewesen diesen Lebensatem haben, das wird in der Bibel als der eigentliche Schöpfungsakt beschrieben.
Dort, an den tiefsten Stellen menschlichen Daseins also, setzt Gott seine Veränderung an: Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch. Hesekiel redet wirklich nicht einer Rückkehr in alte Verhältnisse das Wort, sondern er hofft auf einen wirklichen Neubeginn. Ob das neue Jahr auch einen Neubeginn bringt? Frieden in Syrien, Entspannung der verhärteten Worte, neues Miteinander-Reden, wo das Gespräch abgebrochen ist?
Viele Menschen glauben schon gar nicht an ihre eigenen guten Vorsätze, selbst wenn sie viel bescheidener ausfallen als die Hoffnung Hesekiels. Doch die Hoffnung Hesekiels bedeutet auch: Gott überlässt die Dinge nicht einfach ihren Lauf, er überlässt uns nicht uns selbst. Sein Wille ist es, dass wir diese Neubeginne erleben. Gott legt uns nicht auf unsere Vergangenheit fest und auf das, was bei den Menschen schon immer schief gelaufen ist. Gott bietet uns an, darauf zu vertrauen: Es ist alle möglich. Manches davon ist jetzt schon sichtbar. Wenn wir in einer schwierigen Situation gelassen bleiben. Wenn wir in Menschen, die uns fremd sind, keine Bedrohung, sondern eine Bereicherung sehen. Wenn wir mit uns selbst oder anderen geduldiger umgehen. Die Früchte des neuen Lebens zeigen sich. Manche sind schon reif. Andere brauchen noch ein wenig.
Doch: Das neue Leben wächst. Bunt und farbenfroh.
(Pfr. Lars Schimpke)