Meine Stärke und mein Lied ist der Herr, er ist für mich zum Retter geworden.
Der Monatsspruch des Juni greift eine Ur-Erfahrung des Glaubens auf: Sie handelt vom Auszug aus Ägypten. Der Monatsspruch ist ein Vers aus dem Lied des Mose. Mose singt, denn erst einmal ist das Gröbste überstanden. Die Israeliten sind ein paar Tage vorher durch das Schilfmeer gezogen. Keiner hatte das für möglich gehalten. Das ist erst einmal Grund genug, ein Fest zu feiern.
Da hatten es tatsächlich welche geschafft, aus der Sklaverei zu entkommen. Über diese Erfahrung hatten sie einen Gott kennengelernt, der nicht wie die Pharaonen über Leichen geht, sondern sich um die Unterlegenen kümmert. Es war der Aufbruch in ein Land, in dem so ganz andere Regeln gelten sollten. „Denkt daran, daß ihr Sklaven wart in Ägypten“, so schärft die Bibel später immer wieder ein. Die Gefahr ist groß, daß spätestens zwei Generationen später die Erinnerung verblaßt und die Menschen zu dem übergehen, was sie um sich herum erleben. Sie beginnen, der Logik von Macht, Gewalt und Besitz zu folgen – und fallen so hinter Erreichtes weit zurück. Immer wieder werden sie deshalb die Kraft dieser Erinnerung brauchen, um aus Verhältnissen auszuziehen, die das Leben schwer machen.
So ist diese Erinnerung bis heute lebendig geblieben. Sie ist überliefert in dem Teil der Bibel, der unseren jüdischen Geschwistern am heiligsten ist – in der Tora. Von ihr handeln Geschichten, Erzählungen und Feste – bis heute.
Doch kaum hatte der Auszug begonnen, da gab es Schwierigkeiten. Die Ungewißheit des Neuen ruft die Zweifler auf den Plan. Kann das alles gut gehen? Sich auf einen Gott verlassen, von dem wir kaum etwas wissen? Immer wieder wird Mose mit dieser Frage konfrontiert werden. Die Vergangenheit war nicht optimal – manche verklären sie vielleicht auch – aber im Rückblick scheinen die Dinge wenigstens berechenbar.
Doch wer zu sehr auf die Welt sieht, wie sie ist, und das zum Maßstab allen Denkens macht, der sieht die Welt nicht, wie sie sein könnte. Dann reproduziert sich nur das, was sowieso schon ist, immer wieder in die Zukunft. Eine gespenstische, selbsterfüllende Prophezeihung. Und unsere Welt heute sieht ganz so aus, als ob genau das unser Problem ist. Gerade dann braucht die Welt aber das utopische, verrückte und spielerische. Sie braucht Menschen, die in eine kritische Distanz gehen, und aus dieser Distanz heraus erst den Blick für das gewinnen, was einmal werden könnte. So ging es auch Mose, viele Jahre bevor der Auszug aus Ägypten Wirklichkeit wurde – er ging in die Wüste.
Der Weg ins Verheißene Land ist immer boch weit. Noch weiß keiner, daß es 40 Jahre sein werden. Immer wieder wird er infrage gestellt werden. Und doch: Ein Anfang ist gemacht. Wir kennen den Ausgang der Geschichte. Es war ein Weg, der länger war als ein Menschenleben. Gerade darum ist es wichtig, ihn zu gehen, aufzubrechen und das Ziel vor Augen zu behalten.
Ihr Pfarrer Lars Schimpke