Andacht Juni

„Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Am siebenten Tag aber ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun.“

Liebe Gemeinde,

das Jahr geht seiner Höhe entgegen. Bald feiern wir Johannistag, der die Mitte des Jahres und den längsten Tag im Jahreslauf markiert. Ist wirklich schon die Hälfte um? Die „gefühlte Mitte“ des Jahres liegt für viele Menschen eher im Juli und August, nämlich in der Zeit des Sommerurlaubs. Das soll Anlass sein, einmal darüber nachzudenken. Auch wenn es den „Urlaub“ als solchen in biblischen Zeiten noch nicht gab, zum Verhältnis zwischen Arbeit und freier Zeit hat die Bibel einiges zu sagen.

Als vielleicht wichtigste Aussage dazu fällt mir das biblische Gebot des Sabbats ein. Hier hat der Glaube Israels der Menschheit einen wichtigen Schatz hinterlassen, den es so zuvor nirgendwo gab: Der Zugriff des Menschen ist nicht universal. Es gibt regelmäßig Zeiten, die seiner Geschäftigkeit entzogen sind. Allen soll diese Zeit zugute kommen: nicht nur denen, die es sich leisten können, sondern wirklich allen, auch den Knechten, Mägden, den Fremdlingen, selbst dem Vieh. Interessant ist auch, wie das Gebot begründet wird: „Du sollst daran denken, dass auch du Sklave warst in Ägyptenland“, so fährt die Bibel fort. Dieser Gedanke zieht sich wie ein Kehrvers gerade durch das 5. Mosebuch. Der Gedanke dahinter ist der: Durch seine Gebote will Gott seine gerade erst entstehende Gemeinde davor bewahren, erneut in eine Knechtschaft zu geraten. „Der Sabbat ist für den Menschen gemacht, und nicht umgekehrt“, so wird Jesus viele hundert Jahre später einmal dazu sagen. Wo die Menschen, aber auch alle anderen Geschöpfe, immer nur Leistung bringen sollen und aufgrund ihrer Leistung bewertet werden sollen, da ist die Sklaverei nicht weit. Was wir tun und leisten, ist höchstens eine Seite der Medaille. An dieser Stelle liegt übrigens eine interessante Querverbindung zur Botschaft des Johannistages: Nicht endlos können die Tage länger werden. Die Bäume wachsen auch nicht in den Himmel. Es zeugt von einer tiefen Weisheit, wenn der Täufer erkennt, dass seine Zeit begrenzt ist, aber auch dass nach ihm ein anderer kommt. Aufblühen und Abnehmen, beides sind die zwei Seiten unseres Lebens. Und zu den Zeiten der Geschäftigkeit gehören Zeiten der Entspannung. Sie sind überlebensnotwendig, denn wir sind nicht unbegrenzt.

Darum mache ich Mut, die Zeit des Sommers als eine Zeit der Entspannung zu erleben. Oft wird sie nämlich, ohne es zu wollen, einfach nur die Fortsetzung des Alltags mit anderen Mitteln. Zwei oder drei Wochen im Sommer sollen nachholen, was sonst immer zu kurz kommt. Das Bedürfnis ist nachvollziehbar, und erreicht dennoch das Gegenteil dessen, was es eigentlich soll.

Vielleicht sind es heute viele Menschen einfach nicht mehr gewöhnt, Zeit nicht zu planen. Der Gedanke klingt fast utopisch, und doch: Zur Zeit seiner Entstehung mag auch das Sabbatgebot utopisch geklungen haben. So können wir es wagen, das Sabbatgebot einmal neu zu formulieren: „Sechs Tage sollst du deine Termine planen und ihnen nachgehen. Der siebente Tag aber soll davon frei sein. An diesem Tag sollst du keine Termine planen, sondern aufmerksam sein, wem du begegnest und was du entdeckst. Sei darauf gefasst, dass du auch Gott entdeckst an diesem Tag, denn er soll dir heilig sein…“.

So wünsche ich Ihnen nun eine gesegnete Sommerzeit. Gesegnet, das meine ich in diesem Sinne: Sie möge frei sein, damit Gott sie füllen kann.

Ihr Pfarrer Lars Schimpke