Der 4.Advent

Gloria in Excelsis Deo – Zur Anbetung geschaffen

Gehören Sie auch zu den Menschen, die als Kind alle Kinder wieder zum Advent Blockflöte ausgepackt haben, um am Weihnachtsabend bei den Großeltern nicht zu unangenehm aufzufallen? Oder teilen Sie sonst das Leid, ein Nachbarskind zu haben, das pünktlich zum ersten Dezember wieder ausgiebig damit beginnt, Flöte zu üben? Dann löst der Klang von „Gloria in Excelsis Deo“ bei Ihnen wahrscheinlich einen nur allzu begründeten Schauer aus. Gloria in Excelsis Deo – Ehre sei Gott in der Höhe. Diese Worte sangen die Engel laut der Weihnachtsgeschichte nach dem Lukasevangelium in der Nacht auf dem Feld. Als das Christuskind geboren wurde. „Auf einmal war der Engel von den himmlischen Heerscharen umgeben, und sie alle priesen Gott mit den Worten: „ Ehre sei Gott im höchsten Himmel und Frieden auf Erden für alle Menschen, an denen Gott Gefallen hat“ (Lukas 2,13-14; LUT). Die Engel brachten mit ihrem Lied Dankbarkeit, Lob und Ehrerbietung vor Gott zum Ausdruck. Sie beteten Gott an.

          Anbetung. Ein Begriff, der in unserem heutigen Wortschatz (zumindest im positiven Sinne) eher selten eine Rolle spielt. Es ist ein Ausdruck der Verehrung und der Hochachtung für ein Gegenüber, synonym spricht man auch davon, Wertschätz-ung oder Respekt auszudrücken. Häufig wird Anbetung im christlichen Kontext mit der Musik in Kirchen, mit einer Orgel und einem Chor in Verbindung gebracht. Vielleicht auch mit einer bestimmten Körperhaltung, wie dem Knien auf der Kirchen-bank, gefalteten oder gehobenen Händen. Dies alles sind äußere Formen, die ein Ausdruck von Anbetung sein können. Vielleicht weckt dieses Thema unangenehme Erinnerungen bei Ihnen, nicht nur an schräge Flötenkonzerte, sondern auch an schräge Erfahrungen.

          Wenn Anbetung Formen annimmt, die zu weit entfernt von eigenen Lebens-wirklichkeit sind, tun wir uns damit schwer, sie als authentisch zu erleben. Wir fangen an, Anbetung als solche infrage zu stellen. Warum sollten wir überhaupt anbeten? Was für einen tieferen Sinn hat das, oder ergibt es überhaupt einen Sinn? Braucht Gott etwa unsere Anbetung? Es ist die grundlegende Frage nach dem Ursprung: Warum gibt es im christlichen Glauben Anbetung? Was genau ist Anbetung eigent-lich? Echte Anbetung ist nicht nur ein äußeres Ritual, eine Musikform oder eine Haltung, sondern hat immer auch einen inneren Ursprung. Anbetung ist der äußere Ausdruck einer inneren Haltung.

Innere Haltung und äußerer Ausdruck

In der Weihnachtsgeschichte hörten die Hirten auf dem Feld den Lobgesang der Engel. Doch bevor sie in das Lied der Engel einstimmten, folgten sie der Nachricht, die ein Engel ihnen ausgerichtet hatte: „ Und der Engel sprach zu ihnen: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk wiederfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids“ (Lukas 2,10-11). Die Aufforderung „Hab keine Angst“ oder „Fürchte dich nicht“ kommt übrigens über 80-mal in der Bibel vor und an etwa dreißig anderen Stellen wird in ähnlicher Formulierung dazu aufgefordert, keine Angst zu haben. Gott ist es also besonders wichtig, dass wir ohne Sorgen auf ihn vertrauen.

          Im Stall begegneten die Hirten diesem Jesus, dem Sohn Gottes. Sie hatten ein echtes Gotteserlebnis, das sie im Inneren tief bewegte. Sie erlebten einen Moment, in dem ihnen bewusst wurde, dass sie Teil eines unglaublichen, göttlichen Plans waren, in dem sie Gottes Größe, aber auch seine Liebe zu den Menschen ganz neu erlebten. Etwas in ihrem Inneren hatte sich seit diesem Moment der Gottesbegegnung verändert. Und dieser inneren Veränderung durch ihren „Gottesmoment“, der Begegnung im Stall, verliehen sie später Ausdruck: „Die Hirten kehrten zu ihren Herden auf den Feldern zurück; sie priesen und lobten Gott für das, was der Engel ihnen gesagt hatte und was sie gesehen hatten. Alles war so, wie es ihnen angekündigt worden war“ (Lukas 2,20). Was zunächst in ihrem Inneren mit Staunen begann, drückten die Hirten beim Verlassen des Stalls dann auch laut aus, indem sie Gott lobten und priesen. Sie gaben der Freude, die sie in ihrem Inneren spürten, eine äußere Form. Sie stimmten ein in den Lobgesang der Engel und sangen ihr ganz persönliches „Gloria in Excelsis Deo“.

          Das Besondere an der Anbetung von Gott, beziehungsweise der Grund, warum sich diese äußere Ausdruck von Anbetung manchmal auch komisch bis künstlich anfühlen kann, ist, dass wir Gott nicht sehen. Es kommt uns so vor, als sei Glaube nur etwas Geistiges. Etwas, das sich nur in unserem Inneren abspielt. Da stellt sich die ehrliche Frage, ob es überhaupt notwendig ist, den Glauben nach außen sichtbar zu leben. In jeder anderen Beziehung scheint uns die Notwendigkeit davon sehr viel offensichtlicher: Stellen Sie sich vor, ein Freund macht Ihnen zu Weihnachten ein Geschenk, das Sie sich schon lange gewünscht haben. Sie sind dem Freund sehr dankbar dafür, auch überrascht, dass er sie so gut kennt und das Geschenk so passend herausgesucht hat. Sie schätzen ihre Beziehung sehr und sind dankbar für die Freundschaft, die Sie verbindet. Wenn Sie diese Freude aber weder verbal noch nonverbal zum Ausdruck bringen, wird Ihr Freund davon ausgehen, dass er Ihnen mit dem Geschenk keine Freude gemacht hat. Dass er nicht Ihren Geschmack getroffen hat, oder noch schlimmer: dass Sie die Freund-schaft nicht wertschätzen, die Beziehung für Sie nicht so wichtig ist und das Ge-schenk eher eine Zumutung oder Grenzüberschreitung war.

          Es gehört einfach dazu, dem Beziehungsstatus, also der inneren Haltung der anderen Person gegenüber, Ausdruck zu verleihen. Oder stellen Sie sich einmal vor, jemand liebt seinen Partner, zeigt ihm dies aber nie durch Worte oder Taten. Dann kann es sein, dass der Partner an dieser Liebe zweifelt. Kurz gesagt: Liebe an sich ist – so wie der Glaube – zunächst auch nicht sichtbar. Nur durch das, was wir einander hörbar und sichtbar sagen und tun (mithilfe unseres Körpers), können wir Beziehung zueinander ausdrücken. Gott sieht unser Herz und kennt unsere Ge-danken: „Herr, du hast mein Herz geprüft und weißt alles über mich. Wenn ich sitze oder wenn ich aufstehe, du weißt es. Du kennst alle meine Gedanken. Wenn ich gehe oder wenn ich ausruhe, du siehst es und bist mit allem, was ich tue, vertraut. Und du, Herr, weißt, was ich sagen möchte, noch bevor ich es ausspreche“ (Psalm 139,1-4). Deshalb meinen wir oft, unser Glaube bräuchte keinen äußeren Ausdruck.  Dabei übersehen wir aber einen zentralen Punkt: Der äußere Ausdruck ist vielleicht für Gott nicht nötig, aber für uns persönlich umso entscheidender.

          Solange wir unseren inneren Haltung keinen Ausdruck verleihen, entwickelt diese auch keine Wirkung. Sie wird noch nicht zur spürbaren Realität in unserem Leben. Eine innere Haltung braucht also einen Ausdruck, auch oder gerade im Glauben. Unser Glaube kann zu einer echten Beziehung zu Gott werden. Wenn wir ich nicht nur geistig, sondern auch physisch leben.

Perspektivwechsel

Leider ist es nicht das ganze Jahr Weihnachten. Es gibt viele Tage im Jahr, an denen uns nicht nach „Gloria in Excelsis Deo“ zumute ist. Und trotzdem sollten wir mit unserer Anbetung nicht immer bis zum nächsten „göttlichen“ Moment in unserem Alltag warten. Auch wenn wir Gott nicht immer sehn oder spüren, ist er trotzdem da. Er bleibt immer derselbe, der große und anbetungswürdige Gott, genau so, wie er uns und den Hirten in der Weihnachtsgeschichte begegnet. Manchmal müssen wir uns dieser Tatsache im Inneren erst wieder bewusst werden. Gerade dann tut es gut, Gott ganz bewusst durch äußere Formen anzubeten und trotz aller Umstände unser „Gloria“ anzustimmen. Es ist eine Erinnerung für uns.

          Sind Sie schon einmal bergauf durch einen Wald gewandert? Vor sich sehen Sie nur Bäume. Mit jeder Serpentine fragen Sie sich mehr, wann Sie wohl endlich oben angekommen sind. Aber dann erreichen Sie schließlich den Rand des Waldes, treten heraus und blicken auf den Gipfel. Ihnen eröffnet sich ein atemberaubender Ausblick. Sie haben freie Sicht auf eine majestätische Bergkette, welche schon die ganze Zeit im Verborgenen und doch direkt vor Ihren Augen gethront hat. Wenn wir Gott anbeten, nehmen wir einen Perspektivwechsel vor. Wir treten in Beziehung zu ihm und fangen an, unsere Welt in Relation zu Gottes Möglichkeiten zu sehen. Wir schauen weg von den Dingen, die auf unserer Augenhöhe sind – wie beim Wandern, wenn wir im Wald nur die Bäume sehen können. Wir sehen weg von unseren Pro-blemen, Herausforderungen und unseren Möglichkeiten und heben den Blick zu Gott, zum Gipfel, empor. Wir schauen weg von uns und hin zu Gott. Was wir dort sehen? Seine Größe, seine Liebe und Güte für uns Menschen, seine Schönheit und seine unbegrenzten Mögichkeiten. „Ich schaue hinauf zu den Bergen – woher wird meine Hilfe kommen? Meine Hilfe kommt von Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat“ (Psalm 121,1-2). Wenn wir länger auf die Dinge schauen, die uns begrenzen, sondern Gottes Perspektive einnehmen, können wir anfangen, mit seinen Möglich-keiten für unser Leben zu rechnen. Wir beginnen seiner Größe und Souveränität mehr Glauben und Vertrauen zu schenken als unseren Schwächen und Sorgen. Konkret bedeutet das für unsere Anbetung gerade in schwierigen Zeiten: Wir ver-leihen dem Ausdruck, was Gottes Größe in uns bewirkt. Wir geben ihm Raum, damit seine unbegrenzten Möglichkeiten, seine Liebe und sein Trost in unserem Leben zur Realität werden.

Wenn der Himmel die Erde berührt

Anbetung Gottes bedeutet, wir treten in Beziehung zu ihm. Wir machen einen Schritt auf ihn zu und schaffen einen Raum für Gott, um ihm zu begegnen.         Anbetung Gottes bedeutet auch, wir bleiben nicht allein, sondern stimmen in den Chor der Engel mit ein.

Anbetung Gottes bedeutet, wir machen Gottes Größe und seine unfassbare Liebe auch für andere sichtbar.

Anbetung Gottes bedeutet, wir nehmen einen Perspektivwechsel vor und beginnen mit seinen unbegrenzten Möglichkeiten zu rechnen.

Anbetung Gottes bedeutet, dass der Himmel die Erde berührt. „Ehre sei Gott in der Höhe“ bedeutet: Frieden auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.