Die Hirten – Wenn wir nicht mit Gott rechnen
Vielleicht ist es Ihnen bisher schwergefallen, einen guten Gedanken mitzunehmen. Und vielleicht können Sie es sich noch immer nur schwer vorstellen, dass Gott an Ihrem Leben interessiert sein soll, geschweige denn etwas Gutes mit Ihnen vorhaben könnte. Vielleicht denken Sie: Warum sollte Gott sich gerade bei mir melden, es gibt wirklich wichtigere Menschen. Glaube ist etwas für die anderen, für die Frommen, aber nicht für mich. Wenn Sie diese Gedanken kenne, dann herzlich willkommen in der Weihnachtsgeschichte. Dann wird, oder besser gesagt, ist diese Geschichte auch Ihre Geschichte. Sie und Ihre möglichen Glaubensvorhalte sind ein wichtiger Teil davon. Denn so wie es Ihnen geht, ging es auch den Hirten.
Also, willkommen in der Weihnachtsgeschichte. Wir kennen die Hirten heute vor allem aus der Krippenszene, wie sie mit ihren Schafen versammelt im Stall stehen. Dabei sah die Lebensrealität der Hirten oftmals nicht so romantisch aus, wie es häufig dargestellt wird. Hirten waren Umherziehende ohne festen Wohnsitz. Sie schliefen in Zelten und waren Tag und Nacht Kälte, Hitze, Regen oder Dürre ausge-setzt. Ihr Leben und Arbeiten fand außerhalb der Stadtmauern statt. Sie nahmen nicht am normalen Treiben in der Stadt teil und hatten eine niedrige gesellschaftliche Stellung. Feste und religiöse Sitten waren nicht Teil ihres Alltags draußen auf dem Feld. Wenn es einen Gott gab, dann doch wohl nur für die dörfliche und städtische Gesellschaft mit ihren religiösen Feierlichkeiten, den Besuchen im Tempel und ihrer frommen, den Alltag durchdringenden Kultur. Und obwohl die Hirten in der damaligen Gesellschaftsordnung so wenig Beachtung fanden, gibt es heute keine Krippen-szene, die ohne sie auskommen könnte. Wie also konnten diese Hirten (die wir häufig nur als Statisten wahrnehmen) eine bedeutende Rolle in der wichtigsten Ge- schichte aller Zeiten bekommen?
Lassen Sie uns eine Zeitreise wagen. Zurück zu dem Feld der Hirten, in das Jahr, in dem Jesus geboren wurde. Wir befinden uns auf einem Feld in der Nähe der kleinen Stadt Bethlehem. Einige Hirten standen beisammen und hatten ihre schlafen-de Herde im Blick. Ein kleines Feuer spendete sanftes Licht und Wärme in dieser sternenklaren Nacht. Noch ahnte keiner der Männer, dass dies eine spektakuläre Nacht werden würde, die ihnen noch lange in Erinnerung bleiben sollte. Wie aus dem Nichts erschien ein Engel auf dem Feld. Er verkündete den Menschen, dass der lang herbeigesehnte Messias, also der Retter, geboren sei. In einem Stall in Windeln ge-wickelt würden sie ihn finden (vgl. Lukas 2,12). Nachdem der Engel dies gesagt hatte, erschienen weitere unzählige Engel, deren Licht und Gesang das Feld er-füllten.
Eine Szene, die einem den Atem raubt. Was hätten Sie gedacht? Wie hätten Sie reagiert? Die Hirten hatten ganz sicher nicht damit gerechnet, dass Gott zu ihnen, auf ihr Feld, an ihren Arbeitsplatz kommt. Vielleicht hatten sie bisher über Glauben und Gott ihre Witze gerissen und fühlten sich ein wenig ertappt. Sie hätten wahrscheinlich nicht im Traum daran gedacht, dass Gott ausgerechnet sie in seinen großen Plan mit einbeziehen möchte. Und dass sie auch noch Jahrhunderte später als kleine Holzfiguren Millionen von Häusern dekorieren würden. Und genau das ist das Besondere an ihrer Geschichte.
Jesus kommt in Ihre Welt
Die Situation der Hirten zeigt uns, dass der lange ersehnte Messias, der in dieser Weihnachtsnacht in die Welt kommt, Menschen unabhängig ihres Glaubens, An-sehens oder Gesellschaftsstandes an seine Krippe holt. Sehen wir heute eine Weih-nachtskrippe, dann stehen dort zum einen unsere Hirten. Direkt daneben sehen wir aber auch die Heiligen Drei Könige, die Weisen aus dem Morgenland, mit ihren wertvollen Geschenken. Sie alle waren direkt nach der Geburt in den Stall einge-laden. Gott bewertet nicht auf Grundlage der äußeren Umstände. Gott sieht nur den Menschen. Und vor ihm ist jeder Mensch gleichwertig und gleich wichtig. Egal, was er im Leben erreicht hat, welchen Einfluss er besitzt und was er glaubt oder eben nicht glaubt.
Aber lassen Sie uns nun noch mal einen Blick auf das Feld werfen. Auf diesen Moment, nachdem der Engel seine Botschaft verkündet hatte und die Hirten wieder allein auf dem Feld standen. Jetzt mal ehrlich, wie würde es Ihnen gehen, wenn auf einmal Tausende von Engeln Sie blenden und Ihnen verkünden, dass es Gott wirklich gibt? Die Hirten begannen jedenfalls nach dem ersten Schock erst mal eine Lagebesprechung und gingen ihre Optionen durch: Sollten sie prüfen, ob die Botschaft des Engels der Wahrheit entsprach? Sollten sie sich also wirklich auf den Weg machen und nach diesem Kind suchen? Oder sollten sie lieber auf ihrem Feld zurückbleiben und weiter das tun, was sie immer taten?
Schließlich jedoch wagten die Hirten tatsächlich den Schritt und verließen ihr gewohntes Feld. Ihr Mut wurde belohnt: Sie fanden das Christuskind im Stall. Es lag dort umgeben von dem Geruch, der auch den Hirten so vertraut war. Mit Tieren, die sie hüteten, und umgeben von Kälte, die sie auch aus den langen Nächten in der Wildnis kannten. Mit staubigem Boden unter den Füßen und Dreck in jeder Ecke. Und sie spürten: Dieses Christuskind war nicht in irgendeine Welt gekommen, es war in ihre Welt gekommen. Der Moment auf dem Feld war groß und strahlend und gleichzeitig Furcht einflößend. Der Moment im Stall ist persönlich, nah und leise.
Tradition oder Glaube
Erst in der persönlichen Begegnung mit dem Christuskind im Stall erlebten die Hirten, dass Glaube eben nicht nur äußere Formen und Rituale war. Sie kannten ja auch die religiösen Sitten und Traditionen, die Religion, die in ihrer Kultur verankert war. Der Gott, der für die Hirten auf dem Feld noch fern und unnahbar wirkte, den sie Tempeln und Priestern zugeordnet hatten, der sich scheinbar nicht für ihre Lebensrealität zu interessieren schien, hatte sie ganz persönlich eingeladen, ihm im Stall an der Krippe zu begegnen.
Im Stall sahen sie Jesus mit ihren eigenen Augen und verstanden zum ersten Mal, dass dieser Gott, den sie bisher nur aus den Erzählungen und Festen ihres Umfeldes kannten, ihnen ganz nahegekommen war. Diese eine Begegnung machte für sie den ganzen Unterschied aus. In dieser Begegnung wurde aus dem „religiösen“ Glauben der anderen plötzlich ihr ganz persönlicher.
„Ich hatte von dir nur vom Hörensagen vernommen; aber nun hat mein Auge dich gesehen“ (Hiob 42,5). Vielleicht geht es Ihnen ähnlich wie die Hirten, als sie noch auf ihrem Feld die Schafe hüteten. Sie kennen die christlichen Feste und Traditionen ganz gut. Sie feiern Weihnachten und gehen vielleicht an diesem Tag in einen Gottesdienst. Aber eine persönliche Begegnung haben Sie noch nicht erlebt.
Dann möchten wir Sie einladen, Ihr gewohntes Umfeld zu verlassen und wie die Hirten zu prüfen, „was an der Botschaft eigentlich dran ist“. Finden Sie heraus, dass Gott, so wie er den Hirten im Stall begegnet ist, auch Ihnen ganz persönlich in ihrer Welt begegnen möchte, dass er Ihre Welt bestens kennt und mit Ihren ganz persönlichen Herausforderungen und Gedanken vertraut ist. Und wenn Sie die Figuren in Ihrer Krippe heute noch mal umstellen, dass lassen Sie sich von den Hirten daran erinnern: Glaube ist für Sie, ganz persönlich.