Das Christuskind – Siehe, dein König kommt zu dir
Tochter Zion, freue dich!
Jauchze laut, Jerusalem!
Sieh, dein König kommt zu dir!
Ja, er kommt, der Friedensfürst.
Tochter Zion, freue dich!
Jauchze laut, Jerusalem!
Hosianna, Davids Sohn,
sei gesegnet deinem Volk!
Gründe nun dein ew’ges Reich.
Hosianna in der Höh‘.
Hosianna, Davids Sohn,
sei gesegnet deinem Volk!
Kommt Ihnen dieser Text bekannt vor? Menschen sitzen dicht gedrängt in Kirchen-bänken, Schulter an Schulter. Die Sicht nach vorne ist von zu vielen großen Men-schen versperrt, zum Glück liegt ein Liedblatt aus, die Orgel spielt auf, der Chor steigt mehrstimmig ein und alle singen lauthals mit. Aber haben Sie schon einmal bewusst auf den Text geachtet? Von wessen Tochter singen wir hier eigentlich? Und wer bitte ist dieser Zion? Der Friedefürst kommt und gründet sein Reich … es wird nicht besser.
Das Bild der jauchzenden Tochter Zion kommt aus einem Buch der Bibel, dem Buch Sacharja, in dem es in der Übersetzung nach Luther heißt:“ Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin“ (Sacharja 9,9; LUT).Mit „Tochter Zion“ meinte der Schreiber also die Stadt Jerusalem, die sich freuen sollte, weil der Sohn Davids (das „Christuskind“), als Friedensbringer zu ihr kommen würde. Sacharja berichtete im Alten Testament bereits 500 Jahre zuvor davon, was sich dann mit der Geburt Jesu tatsächlich erfüllen würde. Und somit wurde er zum Textgeber eines doch recht merkwürdigen Weihnachtsliedes, von dem heute kaum noch jemand weiß, was ursprünglich gemeint war. Aber Sie erinnern sich? Da wurde offenbar wieder ausgiebig Stille Post gespielt. Kurz und knapp zusammengefasst: Nach Sacharja feiern wir an Weih-nachten die Geburt eines Königs (vgl. Matthäus 2,2), welcher in diesem Liedtext angekündigt wird. Ein König mit einem echten Königeich.
Jesus zog 500 Jahre später tatsächlich an einem jüdischen Feiertag (Passah-fest) in die Stadt Jerusalem ein. Jedoch nicht wie die Könige, wie wir es aus dem Fernsehen kennen, wie zum Beispiel Queen Elizabeth II., die zu ihrem Geburtstag eine pompöse Parade mit Hunderten Pferden auffährt. Nein, Jesus kam auf einem Esel und wurde dennoch als König angekündigt. Und schon bald zeigte sich, dass dieser König auch in vielen anderen Aspekten nicht vergleichbar war mit den bekannten Machthabern. Kaiser, Könige oder die heutigen Politiker haben sich aus eigener Kraft an die Spitze von Staaten und Armeen empor gearbeitet. Sie sind manchmal beliebt, häufig aber auch verhasst und gefürchtet. Unter den Machthabern, die uns aus der Geschichte bekannt sind, hatten die meisten ein einziges Ziel, das es in ihrer Wirkungszeit zu verfolgen galt: die Erhaltung und Er-weiterung des eigenen Reiches. Dabei ging es häufig außerordentlich brutal, selbst-süchtig und rücksichtslos zu. Intrigen, Verrat und Kriege verhalfen den Anführern zu immer größerem Einfluss, Ruhm und Anerkennung. Viele bekannte Filme und Serien haben diese Ereignisse zum Thema. Und auch bei vielen politischen Führer ist das auch heute noch ähnlich: Es geht ihnen um Macht und Einfluss. Jesus aber war ein echter Gegenentwurf zu diesen Machthabern. Ein armer, aber gerechter und helfen-der König, der auf seine Privilegien verzichtete und auf einem Esel in die Stadt Jerusalem ritt, die Füße in staubigen Sandalen.
Der neue König
Was für ein König war dann dieser Jesus Christus?
Jesu Verhalten jedenfalls schien völlig konträr zu dem eines Königs. Statt seine Macht auszunutzen, erniedrigte er sich selbst. Er zeigte sich als Diener, als er sich z.B. in einer Situation seinen Jüngern unterordnete und ihnen die Füße wusch (vgl. Johannes 13,5-14). Dies war zur damaligen Zeit eine Tätigkeit, die sonst ledig-lich Sklaven durchführten. Jesus lebte den Jüngern vor, wie sie selbst leben sollten: im Dienst und in der Liebe für den Nächsten. Das Prinzip der Nächstenliebe ist übrigens keine neuzeitliche philosophische Erfindung. Schon im Alten Testament drückte Gott seinen Wunsch aus, dass wir unseren Nächsten lieben sollen wie uns selbst (vgl. 3.Mose 19,18). Auf die Frage, wer eigentlich unser Nächster ist, antwortet Jesus mit einer interessanten Geschichte, nachzulesen im Lukasevangelium 10,25-37. Sein Königtum zeigt sich genau darin, dass er uns dient und hilft, als wäre er selbst ein Untertan (vgl. Philipper 2,6-7). Statt sich abzugrenzen, kam dieser König mitten unter die Menschen, gerade unter die am Rande der Gesellschaft.
Mit seinem Wesen, seinem Charakter und seiner Güte kam er den Menschen näher als andere Könige. Er berührte das Volk und liebte die Menschen von ganzem Herzen. Statt Untergebene hatte er Freunde. Seine Haupteigenschaft war und ist die Liebe. Können Sie sich vorstellen, so etwas über einen politischen Führer heute zu sagen? Deshalb sprach Jesus auch nicht von seinen Untergebenen. Aus seiner Liebe heraus bezeichnet dieser König uns nicht als Knechte, sondern als seine Freunde: „Ihr seid jetzt meine Freunde, denn ich habe euch alles gesagt, was ich von meinem Vater gehört habe“ (Johannes 15,15b).
Statt hart gegen seine Feinde durchzugreifen oder in den Gegenangriff über-zugehen, vergab es ihnen. Selbst seinen Gegnern und den Menschen, die es nicht gut mit ihm meinten, ihm Böses antaten oder ihn verletzten, begegnete er mit Liebe und Respekt. Er ist auch heute noch immer bereit, bedingungslos zu vergeben. Selbst am Kreuz sprach er seinen Mördern Vergebung zu: „Vater, vergib diesen Menschen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lukas 23,34a). Statt zu verurteilen, ermutigte er. Er schaffte es, sein Gegenüber zu korrigieren, ohne es anzugreifen oder niederzumachen, vielmehr richtete er die Menschen im Gespräch auf und sprach ihnen Hoffnung und neuen Mut zu. Doch bei den ganzen Unterschieden, die Jesus zu den Machthabern, wie wir sie kennen, hatte, gibt es vielleicht doch noch eine Gemeinsamkeit, eine Parallele: Auch Jesus sprach sehr viel über seine Ideale und sein Reich, das Reich Gottes.