Wunschzettel – Wie Gott unsere Gebete erhört
Der Wunschzettel – in unserer Kindheit wohl eines der wichtigsten Dokumente, das in der Adventszeit frühestmöglich und mit größter Sorgfalt von uns angefertigt wurde. Woher sonst sollten unserer Eltern (oder der Weihnachtsmann) schließlich wissen, was wir uns am meisten wünschten? Es gab Jahre, da waren die Wunschzettel länger, und Jahre, da standen nur ganz wenige, aber unheimlich wichtige Dinge drauf. Das waren die Wünsche, die dann mit 3 Ausrufezeichen oder Sternchen drumherum als „wirklich superwichtig“ gekennzeichnet wurden. Wie groß aber was die Enttäuschung, wenn dann ausgerechnet einer von den dreifach unterstrichenen Wünschen nicht am Weihnachtsfest unter dem Baum lag.
Kinder sind wohl nicht gerade Meister darin, ihr Unverständnis für sich zu behalten, und machen den Eltern ihre Enttäuschung in der Regel schnell klar. Die anderen Geschenke sich auch toll, wohlwollend ausgewählt, und dennoch dominiert der laute, anklagende Schrei: „Warum? Warum habt ihr mir dieses eine Geschenk nicht gekauft? Ich habe es mir doch so sehr gewünscht!“ Als Erwachsene stehen bei uns heute mehr und mehr ideelle – aber meist nicht weniger wichtige Wünsche auf unseren imaginären Wunschzetteln. Wir haben Wünsche, die unsere Umstände be-treffen. Oder die Umstände von Menschen, die uns nahestehen. Gut gemeinte Wünsche. Wünsche, die nicht einmal eigennützig gedacht sind. Wünsche, die sich nach dem Besten sehnen. Wir träumen von einer besseren Welt oder vielleicht auch nur, dass alles so bleiben möge, wie es ist. Und dann gehen die noch so berechtig- ten Wünsche nicht in Erfüllung. Und wir bleiben zurück mit dieser einen Frage: Warum?
Warum lässt Gott Leid zu?
Nun, man muss gar nicht bis nach Afrika reisen, um sich ein Bild von den Ungerech- tigkeiten dieser Welt zu machen. Die finden wir auch vor der eigenen Haustür – und einige von uns auch leider dahinter. Wir können Ihnen daher versichern: Jeder Mensch wird sich wohl im Laufe seines Lebens mit Warum-Fragen konfrontiert sehen, auf die es keine schnelle und einfache Antwort gibt.
In der Bibel finden wir die Geschichte von Hiob. Er war ein wohlhabender und erfolgreicher Mann mit einer großen Familie. Er lebte gottesfürchtig und richtete sein Leben an Gottes Geboten aus. Alles schien perfekt zu laufen – bis er alles verlor: seine Familie, seinen Besitz und sogar seine eigene Gesundheit. Hiob verstand die Welt nicht mehr. Im Leid brach seine komplette Weltanschauung in sich zusammen, sein Verständnis von Gottes Gerechtigkeit und Güte. Hiob war wütend und enttäuscht, fühlte sich unverstanden und alleingelassen. Er diskutierte Tag und Nacht mit Freunden über Gott und fragte zu Recht immer wieder nach dem Warum. Vermutlich sind es die schmerzhaftesten Momente im Leben, wenn wir verlassen werden oder uns alleingelassen fühlen. Wir Menschen sehnen uns nach Gemein-schaft, danach angenommen zu sein, nach Bindung. Daher ist besonders die Erfahrung von Verlust so schwer erträglich. Wenn wir uns in schwierigen Lebens- situationen, in denen wir einander uns selbst und beten sogar zu Gott! Wir tragen ihm unseren Schmerz und unsere Wünsche vor und stehen am Ende manchmal doch ohne das erhoffte Ergebnis da. Hat Gott uns nicht richtig zugehört?
Warum erhört Gott manche Gebete und manche nicht? Ist alles nur Willkür oder am Ende doch nur Zufall und „Schicksal“? Durch manche Erfahrungen, in denen Gott eben nicht den Umstand so verändert, wie wir es uns wünschen, verlieren wir unseren Glauben an diesen einen Gott, der es gut mit uns meint. Wir suchen nach einer klugen Lösung. Versuchen, die Situationen mit unserem Verstand zu ver-stehen. Wollen das Unbegreifliche begreifen. Und am Ende solcher Überlegungen kommen wir – resigniert und hoffungslos – zu dem Schluss, dass Gott entweder nicht eingreifen kann oder nicht helfen will.
Im Laufe unseres Lebens sammeln sich so tiefe und unheimlich schmerzhafte Enttäuschungen an. „Warum hat Gott die krebskranke Mutter von 4 Kindern trotz vieler Gebete nicht gesund gemacht?“ „Warum heilt Gott den seit einem schweren Unfall querschnittsgelähmten Sohn nicht?“ Wir wissen es nicht. Unser menschlicher Verstand kommt an solchen Punkten in unserem Leben an seine Grenzen.
Warum beten?
Was wäre aber, wenn wir es wagen würden, unseren Anspruch an Gott als einen „Wunscherfüllungsautomaten“ abzulegen? Wenn wir unsere Perspektive änderten und einmal einen anderen Blick zuließen? Hiob ist dieses Wagnis eingegangen und spricht zu Gott: „Nun weiß ich, dass du alles kannst, kein Vorhaben ist für dich un-durchführbar“ (Hiob 42,2). Es tut gut, Gott nicht nur seine Wünsche, sondern sein ganzes Leben anzuvertrauen. Im vollen Vertrauen darauf, dass er unser Bestes im Sinn hat, dürfen wir ihm die Kontrolle abgeben und unser ganzes Leben in seinen Händen wissen. Oftmals ist es die größte Erleichterung, geradezu ein Befreiungs-schlag, wenn wir zu der Erkenntnis kommen: Wir müssen nicht immer selbst entscheiden, was für uns (oder noch besser für andere) das Beste ist.
Vielleicht hilft es an dieser Stelle, sich vorzustellen, wie Eltern mit den Wünschen ihrer Kinder umgehen. Es wäre fatal, jedem Begehren nach Süßigkeiten, Fernsehen, Computerspielen und so weiter nachzugehen, so groß die Liebe zum Kind auch ist. Und spätestens, wenn wir uns heute darüber freuen, gerade Zähne zu haben, sind wir unseren Eltern wahrscheinlich dankbar, dass sie unser Betteln, keine Zahnspange tragen zu müssen, nicht erhört haben. Oder dass wir heute ein Instrument spielen. Oder Ballett tanzen. Oder eine Fremdsprache sprechen. Der Grund, warum Eltern anders entscheiden als es das Kind wünscht, liegt darin, dass sie das Beste für das Kind wollen – heute beim Zähneputzen und in Zukunft beim Schulabschluss. Bei Gott ist es ähnlich. Er will das Beste für seine Kinder. Er sieht das Ziel, das hinter Hürden und Herausforderungen, Stolpersteinen und Risiken verborgen liegt.
Ein ausgewachsener Steinadler hat eine Flügelspannweite von über 2 Metern. Diese Flügelkraft zu kontrollieren, bedarf jedoch eines gewissen Trainings – nicht umsonst sträuben sich Adlerjunge, wenn sie flügge werden und das Nest verlassen sollen. Wagen sie es nicht von sich aus, ihre Komfortzone zu verlassen – dieses wohlig warme Nest, in dem sie von ihren Eltern mit allem versorgt wurden, was das Adlerherz begehrt – so verhilft ihnen die Mutter dazu. Sie packt das Junge mit den Krallen, fliegt mit ihm über den Abgrund und lässt es fallen. Auf den ersten Blick ein ziemlich grausam anmutendes Szenario. Das Kleine zappelt und versucht, mit seinen noch nicht geübten, aber vollends entwickelten Flügeln zu schlagen und die richtige Flugtechnik zu erproben. Währenddessen kreist die Mutter mit festem Blick auf ihr Junges und stürzt im letzten Moment hinab, steil nach unten, um es im richtigen Augenblick noch aufzufangen und wieder nach oben zu tragen – und die Übung beginnt von vorne.
Manchmal fühlen wir uns ähnlich wie das Adlerjunge, mitten im freien Fall. Entweder wir haben uns etwas getraut, sind ein Wagnis eingegangen und plötzlich fallen die Reaktionen ganz anders aus. Die erwartete Unterstützung sagt ab. Wir machen große Verluste. Es schließt sich eine Tür nach der nächsten und alles ent-zieht sich unserer Kontrolle. Alles erscheint ausweglos. Oder uns wird „der Boden unter den Füßen weggerissen“. Und wir fallen. Ohne Kontrolle und ohne Sicherheit.
Doch wir dürfen gewiss sein: Spätestens im letzten Augenblick werden wir erleben, dass Gott uns auffängt. Wie die Adlermutter ihr Junges nicht auf dem Boden aufkommen lässt, dürfen wir sicher sein, dass Gottes Hand uns hält. Warum wir uns so sicher sind? Weil er es uns versprochen hat! Er hat nie gesagt, dass alles einfach wird. Aber er hat uns fest zugesagt, dass er dem Müden Kraft gibt. Dass diejenigen, die auf ihn vertrauen, neue Kraft kriegen. Dass auffahren wie die Adler: „Er gibt den Erschöpften neue Kraft; er gibt den Kraftlosen reichlich Stärke. Es mag sein, dass selbst junge Leute matt und müde werden und junge Männer völlig zusammen-brechen, doch die, die auf den Herrn warten, gewinnen neue Kraft. Sie schwingen dich nach oben wie die Adler. Sie laufen schnell, ohne zu ermüde. Sie gehen und werden nicht matt“ (Jesaja 40,29-31).
Der christliche Liederdichter Manfred Siebald drückt es in den wunderschönen Worten aus: „Wie tief kann ich fallen, wenn alles zerfällt? Wenn Brücken und Stützen verschwinden? Nie tiefer als in Gottes Hand.“
Gottes Pläne für unser Leben sind größer als unsere eigene Agenda, denn Gott bezieht auch die Ewigkeit mit ein, die wir noch nicht sehen können. Wir leben im Moment – aber Gott überschaut die Zeit. Er sieht uns und die Situation aus einer ganz anderen Perspektive. Uns sind seine Pläne oftmals zunächst verborgen, und dennoch existieren sie. Gott möchte uns mit einbeziehen, aber dazu braucht es unseren Mut, uns auf seine Perspektive einzulassen.
Haben Sie Ihre Stadt oder Ihr Dorf schon einmal von einem Berg aus be-trachtet? Wenn Sie das tun, merken Sie sicherlich, wie gewaltig sich der Blick auf viele Dinge verändern kann. Alles erscheint aus dieser Perspektive kleiner, und womöglich sehen Sie Zusammenhänge, die Ihnen sonst nicht auffallen. Das Wunderbare ist, dass Gott nicht nur über unser Jetzt hinausblickt, sondern dass er in unser Jetzt kommen will. Er wünscht sich, dass wir ihn in unsere Situation mit hinein-nehmen. Dass wir uns ihm anvertrauen, ihm vertrauen. Er wird vielleicht die Umstände nicht verändern, aber unsere Perspektive und unser Herz.
Und Weltfrieden
Wichtig ist vor allem, dass wir ehrlich werden vor Gott. Welchen Sinn hat ein Gebet, das nicht ehrlich gemeint ist? Dazu gehören auch unserer Fragen, Zweifel, Ängste, Enttäuschungen (die Gott ohnehin bewusst sind) – genauso wie auch unsere Wünsche. Wir müssen dabei nicht anfangen, wie Miss America für den Weltfrieden zu beten, nur weil wir glauben, dass diese besonders frommen Wünsche bei Gott gut ankommen. Als Jesus kurz vor seiner Hinrichtung im Garten Gethsemane große Angst hatte – Matthäus beschreibt, dass seine Seele bis in den Tod betrübt war -, fing er an zu beten. Er flehte Gott an, das bevorstehende Leid an ihm vorübergehen zu lassen: „Mein Vater! Wenn es möglich ist, lass den Kelch des Leides an mir vorübergehen“ (Matthäus 26,39a). Ein wirklich ehrliches Gebet. Jesus selbst hielt seine Angst und diese Bitte vor Gott nicht zurück. Im Wesentlichen bat er Gott, ihn aus dieser Situation herauszuholen. Aber das Gebet nahm eine Wendung.
Im nächsten Atemzug unterstellte sich Jesus Gottes Willen: „Doch ich will deinen Willen tun, nicht meinen“ (Matthäus 26,39b). Mit diesen Worten drückte Jesus aus, wie sehr er Gott vertraute. Er stellte Gottes Willen über seinen eigenen. Dieses Gebet von Jesus war kein unterwürfiges „Du machst eh, was du willst, Gott“. Dieses Gebet war ein Ringen und ein In-Verbindung-Treten mit dieser Kraft Gottes, die alles von Anfang an durchdringt.
So zu beten, wie Jesus gebetet hat, bedeutet: unsere eigenen Wünsche, unseren eigenen Willen Gott abzugeben. Aus der Hand zu geben und loszulassen. Und das fällt uns Menschen unheimlich schwer. Etwas loszulassen, kann sehr schmerzhaft sein. Alle Eltern können nachfühlen, was es bedeutet, seine Kinder loszulassen, damit sie ihre eigenen Wege gehen – das kann uns das Herz brechen. Gott hat seine Schöpfung losgelassen, er gab ihr einen eigenen freien Willen. Es ist nicht alles nur Zufall oder Schicksal. Und deswegen ist Beten so wichtig, nicht weil immer sofort unsere Wünsche in Erfüllung gehen, sondern weil es uns mit Gott in Verbindung bringt. Und mit den Menschen, für die wir beten. Beten verändert Situationen und Menschen, aber beten verändert immer auch uns selbst-
Warum manche Gebete erhört werden und manche nicht? Wir wissen es nicht. Aber wir möchten nicht aufhören, für das Leid und Elend in dieser Welt zu beten. Wir möchten dafür beten, dass Gottes Wille geschehe – wie im Himmel, so auch auf Erden. Weil Gottes Wille gut ist. Wir möchten Sie dazu einladen, durch ein Gebet, dass Sie sicherlich kennen, mit Gott in Verbindung zu treten. Geben Sie ihm die Chance, Ihr Herz von den Enttäuschungen über Ihre unerfüllten Wünsche zu heilen. Sie werden vermutlich noch oft an den Punkt kommen, an dem Sie Gottes Handeln nicht verstehen werden. Ganz ehrlich: Das tun wir alle.
Lassen Sie uns trotzdem gemeinsam mit unseren Bitten zu Gott kommen und gleichzeitig sagen: „Ich vertraue dir, dein Wille geschehe!“